Die Zukunft Deutschlands

| Eine Idee |

Ein Deutschland das zukunftfähig und für alle Bürger und Bürgerinnen da sein will muss gerecht sein. Doch wie kann unser Land, von den Wurzeln bis zur Baumkrone herauf, gerecht gestaltet werden? Auf diese Frage gehe ich in diesem Eintrag ein.
Eines ist aber sicher: unsere Demokratie ist das Fundament für diesen Prozess.

Die Frankfurter Paulskirche in der 1848 bis 1849 die Delegierten der Frankfurter Nationalversammlung tagten, der ersten Volksvertretung für ganz Deutschland (Bild Quelle: Wikipedia)

Eine gerechtere Gesellschaft

Kommen wir gleich zum Kern dieses Eintrags: Was ist Gerechtigkeit?
Dem Begriff kommt zwar eine allgemeine, einheitliche und ahistorische Bedeutung zu, doch wird seit der Antike über die spezifischen Konzeptionen der Gerechtigkeit gestritten. Deshalb tauchen wir kurz in die Geschichte ein.

Zur Begriffs- und Problemgeschichte
(Quelle. Enzyklopädie der Philosophie Band I, S. 835)
Die Ideengeschichte der Gerechtigkeit reicht bis zu den Ursprüngen der schriftlichen Überlieferung zurück. Erstmals prominent zum Thema wird Gerechtigkeit in der Antike bei den Sophisten, bei Platon und bei Aristoteles, die ihre Vorstellungen von Gerechtigkeit in ihre eudaimonistische Ethik und kosmologisch-metaphysischen Weltanschauungen integrieren.

Im Mittelalter werden die antiken Auffassungen von Gerechtigkeit unter dem Einfluss des Neuplatonismus kombiniert mit der christlichen Perspektive und vor allem von Augustinus und Thomas von Aquin weiterentwickelt.

In der Neuzeit beginnt mit Hobbes, Locke, Pufendorf, Hume, Rousseau und Kant eine Diskussion um eine vertragstheoretische und naturrechtliche Neufundierung der Gerechtigkeit vor allem mit Bezug auf den Staat. Die moralphilosophischen Debatten des 19. und der ersten Hälfte des. 20. Jahrhunderts sind gekennzeichnet durch Problematisierungen der Idee der Gerechtigkeit vor allem bei Hegel, Mill und Marx sowie den unterschiedlichen Spielarten des Rechtspositivismus, etwa bei Radbruch und Kelsen.

Spätestens mit dem Erscheinen von John Rawl’s Theorie der Gerechtigkeit wird Gerechtigkeit wieder der normative Grundbegriff der politischen Philosophie.

Da es hier um eine Methodik geht die gesamtgesellschaftlich auf einer demokratischen Ebene angewendet wird, muss auch eine Gerechtigkeitskonzeption her.
In anderen Worten: „Wer schuldet in welchen Umständen wem was, auf welche Weise, warum, aus welcher Perspektive, aufgrund welchen Prinzips und mit welcher Anwendung?“
(ebd. vgl. S. 835)

Daher betreffen Fragen der Gerechtigkeit mindestens die folgenden acht Dimensionen:
1) die Umstände
2) die Objekte (Gegenstand des Interesse; von Personen zu Institutionen bis hin zu Vorgänge und Verfahren)
3) die Subjekte (die systematischen Träger der Gerechtigkeit)
4) den Umfang (Ausdehnung von Gerechtigkeitsprinzipien)
5) die Begründungsperspektive (Unparteilichkeit)
6) die Gründe (Moral)
7) die Arten der Gerechtigkeit (seit Aristoteles Nikomachischen Ethik in verschiedenen Arten unterteilt: i) Gerechtigkeit kann a) von Personen verlangt werden -> moralische Tugend oder b) von Institutionen verlangt werden (nicht-politische wie Ehe, Familie, Wirtschaft und Bildung und politische wie Recht und Staat), ii) sich auf zwischenmenschliche Konflikte beziehen: a) eine gerechte Verteilung von Rechten, Pflichten, Gütern und Lasten und b) des Ausgleichs in Tausch- und Vertragsbeziehungen oder geschehenes Unrecht wiederherstellen
8) die Prinzipien der Gerechtigkeit (das Akzeptieren einer Grundnorm, z. B. Menschenwürde und Menschenrechte)

Ich kann hierbei nur auf die letztere Dimension eingehen, da es wie gesagt einen gesamtgesellschaftlichen und demokratisch-öffentlichen Diskurs braucht.

Die Methodik

Die achte Dimension, die Prinzipien der Gerechtigkeit die das Akzeptieren einer Grundnorm voraussetzen, liegt in unserem Fall schon vor. Die Grundnorm bzw. Grundnormen sind niedergeschrieben in den Menschen- und Bürgerrechten, d.h. im Falle Deutschlands auch im Grundgesetz. So heißt es im Grundgesetz, Artikel 1:

1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtssprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(Quelle: Grundgesetz 48. Auflage, 2017, S. 6)

Mit den Prinzipien der Gerechtigkeit die wir nun etabliert haben bzw. schon lange etabliert worden sind, geht es nun darum Voreingenommenheiten (die z. b. durch unseren sozialen Status einhergeht) aus den Weg zu räumen bevor wir den Begriff der Gerechtigkeit bestimmen. Hierzu bedienen wir uns dem Gedankenexperiment von John Rawl, bekannt als „Der Schleier des Nichtwissens“ (= Veil of Ignorance). Hierbei geht es um eine hypothetische Entscheidungssituation in der Gerechtigkeitsgrundsätze bestimmt werden sollen. Nach diesen Grundsätzen sind dann die Institutionen der Gesellschaft einzurichten.

Die Situation
(Quelle: Freie Universität Berlin)
„In der Theorie der Gerechtigkeit als Fairneß spielt die ursprüngliche Situation der Gleichheit dieselbe Rolle wie der Naturzustand in der herkömmlichen Theorie des Gesellschaftsvertrags. Dieser Urzustand wird natürlich nicht als ein wirklicher geschichtlicher Zustand vorgestellt, noch weniger als primitives Stadium der Kultur. Er wird als rein theoretische Situation aufgefaßt, die so beschaffen ist, daß sie zu einer bestimmten Gerechtigkeitsvorstellung führt. Zu den wesentlichen Eigenschaften dieser Situation gehört, daß niemand seine Stellung in der Gesellschaft kennt, seine Klasse oder seinen Status, ebenso wenig sein Los bei der Verteilung natürlicher Gaben wie Intelligenz oder Körperkraft. Ich nehme sogar an, daß die Beteiligten ihre Vorstellung vom Guten und ihre besonderen psychologischen Neigungen nicht kennen. Die Grundsätze der Gerechtigkeit werden hinter einem Schleier des Nichtwissens festgelegt. Dies gewährleistet, daß dabei niemand durch die Zufälligkeiten der Natur oder der gesellschaftlichen Umstände bevorzugt oder benachteiligt wird. Da sich alle in der gleichen Lage befinden und niemand Grundsätze ausdenken kann, die ihn aufgrund seiner besonderen Verhältnisse bevorzugen, sind die Grundsätze der Gerechtigkeit das Ergebnis einer fairen Übereinkunft oder Verhandlung. […] Den Urzustand könnte man den angemessenen Ausgangszustand nennen, und damit sind die in ihm getroffenen Grundvereinbarungen fair. Das rechtfertigt die Bezeichnung ›Gerechtigkeit als Fairneß‹: Sie drückt den Gedanken aus, daß die Grundsätze der Gerechtigkeit in einer fairen Ausgangssituation festgelegt werden. […]“

In der praktischen Umsetzung, wieder auf Deutschland bezogen, heißt es dass auch niemand weiß ob er/sie im Westen, Osten, Süden oder Norden lebt; was seine/ihre Hautfarbe, Geschlecht, Religion oder Status ist; ob er/sie eine körperliche oder kognitive Beeinträchtigung hat; ob Migrationshintergrund oder kein Migrationshintergrund vorhanden ist, usw. Voraussetzung hierfür, in einer gesellschaftlichen Diskussion, ist auch die Gutwilligkeit (also keine Absicht der Täuschung oder des Betrugs besteht).

Demokratische Beteiligung auf der kleinen (lokalen) und großen (nationalen) Runde ist hierfür essentiell. Schließlich muss Gerechtigkeit nicht nur vertikal geschehen (vom Staat aus durch Regelungsrahmen und Gesetze) sondern auch horizontal (zwischen den Bürger und Bürgerinnen). Somit soll diese Diskussion auch zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts führen und das Verständnis untereinander fördern.

Referenzbild: Vertikal = Senkrecht und Horizontal = Waagrecht, in diesem Fall von oben nach unten und auf gleicher Ebene
(Quelle: blogspot)

Es gibt Individuen, Gruppen und Organisationen verschiedener Arten die wider Treu und Glauben agieren (also weder an Ehrlichkeit noch Fairness interessiert sind), diese werden versuchen weiterhin destruktiv zu handeln. Die Zivilgesellschaft muss daher diese erkennen und die schon bekannten (z. B. Rechtsextreme Gruppierungen) von vornherein ausschließen. Nämlich ohne Gutwilligkeit verläuft das Gedankenexperiment im Sand.
In anderen Worten: anti-demokratischen Elementen muss Einhalt geboten werden.

Anwendung

Die erste und größte Anwendung ist die bereits genannte: die Institutionen der Gesellschaft nach den Gerechtigkeitsgrundsätzen einrichten bzw. neu justieren.

Da es an sich eine große Herausforderung ist die schnell zur Überforderung führen kann, sollten wir wie beim Bergsteigen vorgehen: eine Etappe nach der anderen. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Der Eingang von Behörden sollte Barrierefrei sein, damit auch jene die im Rollstuhl sitzen bequem und aus eigener Kraft in das Gebäude können.
Formulare in Behörden sollten übersetzt werden oder die Personen Hilfe erhalten, damit jene mit geringeren Sprachkenntnissen und/oder Formularwissen auch alles korrekt ausfüllen können und auf eventuelle Nachfolge-Formulare aufmerksam gemacht werden.
usw.

Die Komplexität und der Umfang der benötigten Änderungen ist auch Unterschiedlich, je nachdem ob diese auf der Gemeinde, Landkreis-, Länder,- oder Bundesebene angewandt wird. Letztendlich hängt es von den Bürger und Bürgerinnen (also auch der/die Leser/in) sowie den demokratischen Parteien und demokratischen Gruppen, Organisationen und Vereine ab. Ob uns diese Methodik hilft können wir nur auf eine Weise herausfinden. Natürlich wird es auch viel Zeit und Energie kosten (je nach Thema und welche administrative Ebene betroffen ist), doch das macht auch eine lebendige Demokratie aus.
Jede/r soll damit auch die Möglichkeit zur Mitgestaltung erhalten und die Mehrheitsgesellschaft und Minoritäten (demographische Gruppen) die Möglichkeit sich besser untereinander zu verständigen und zu konstruktiven Lösungen zukommen.

Die Administrative Aufteilung unseres föderalistischen Systems
(Bild: Wikipedia)

Mit dem Schleier der Unwissenheit können wir also somit die Frage der Gerechtigkeit lösen, oder zumindest ist es meine Hoffnung durch diese Methodik die Frage der Gerechtigkeit zu lösen auf den allerlei verschiedenen Ebenen auf der sie uns begegnet.
Durch die Beteiligung würde sich auch unsere Demokratie von innen weiter verstärken und verfestigen, was ich persönlich als sehr wichtig empfinde und essentiell für die Zukunft.

Quellen

Enzyklopädie der Philosophie Band I, S. 835-836

Grundgesetz 48. Auflage, 2017, S. 6

Der Schleier des Nichtwissens
https://www.osa.fu-berlin.de/philosophie/beispielaufgaben/gedankenexperimente/index.html

Gutwilligkeit
https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/gutwilligkeit/842

Föderalismus in Deutschland
https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6deralismus_in_Deutschland

Veröffentlicht von thomasbaroque

Ich schreibe über politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Themen. Meine eigenen politischen Ziele ebenso. / I write about politics, the economy and science (my English isn't that good, though). My own political goals and ideas as well.

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