Zweisprachiger Blogeintrag / Bilingual blog post.
In einem Artikel das im Philosophie Magazin erschien, hat es ein Interview gegeben mit der Feministin Antoine Camus und der Autorin Manon Garcia, die das Buch „Mit Männern leben“ geschrieben hat, und am 15. September 2025 veröffentlicht wurde. Zwar ist es hinter einer Paywall, aber über ein bestimmtes Segment wollte ich hier schreiben.
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In an article that was published in the Philosophie Magazin, there was an interview with the feminist Antoine Camus and the author Manon Garcia, who wrote the book „How to Live with Men“. It was published on September 15, 2025. While the article itself is behind a paywall, I wanted to talk about a certain segment in this blog entry.

Mutual thoughtfulness for a better understanding for a just world
(Image source: Pixiv)
Sans cérémonie werden wir zuerst mit dem Auszug des Interviews anfangen und dann mit meinem Beitrag abschließen. Dieser Eintrag sollte als Anstoß zur einer konstruktiven Diskussion (nicht Debatte!) gesehen werden, wird also kurz sein.
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Without further ado, we will first begin with the excerpt of the interview and then conclude with my own contribution. This blog post should be viewed as a nudge for a constructive discourse (not a debate!), so it will be short.
*Unter einer Debatte verstehe ich die Verteidigung einer Position, während es bei einer Diskussion um eine Erörterung der verschiedenen Positionen geht um schließlich sich auf ein Kompromiss oder gemeinsame Herangehenweise zu einigen.
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My understanding of a debate is that you defend your own positions, whereas in a discussion the main focus lies on the explanation of different positions to eventually reach a compromise or agree on a common approach.
Auszug aus dem Interview
Antoine Camus: „In meinem Plädoyer habe ich auch auf Ihre Idee des Geschlechtergesprächs Bezug genommen, weil ich betonen wollte, dass es in diesem Prozess zwar um sexuelle Gewalt ging, aber nicht darum, die männliche Sexualität generell anzuklagen. Im Gegenteil, es ging darum, die Chancen für gegenseitige Aufmerksamkeit, für einen Dialog der Körper und letztlich für ein besseres Verständnis zu bewahren. Ich habe jedoch den Eindruck, dass Sie aus diesem Prozess mit Zweifeln an den Chancen für die Aufrechterhaltung dieses Dialogs hervorgegangen sind…“
Manon Garcia: „Dieser Prozess hat mich etwas pessimistisch gemacht! Zunächst einmal war das Engagement der Männer und Frauen sehr unterschiedlich. Während sich nur wenige Männer wirklich dafür interessierten, waren die meisten Frauen erschrocken, einige stellten ihre Heterosexualität in Frage. Ich habe mein Buch Mit Männern leben genannt, weil ich glaube, dass dies wirklich die quälende Frage ist, die dieser Prozess aufgeworfen hat: Kann man mit Männern leben, wenn sie Frauen so wenig lieben? Hinzu kommt, dass nur sehr wenige Angeklagte Reue gezeigt haben. Ich hatte sogar den Eindruck, dass einige Verteidiger aktiv dazu beigetragen haben, den Angeklagten das Gefühl zu geben, dass sie sich wirklich nicht viel vorzuwerfen hätten. Einige lachten untereinander, andere sagten vor Gericht skandalöse Dinge… All das macht mich tatsächlich ein wenig bedrückt.
Der ethische Horizont der Geschlechterdiskussion, den ich skizziert habe, scheint mir sehr weit entfernt, sehr utopisch. Eines ist jedoch sicher: Einvernehmlichkeit muss im Mittelpunkt der Gespräche, der Kindererziehung und der Politik stehen. Viele Männer wissen offensichtlich nichts über Einwilligung. Es ist höchste Zeit, ihnen das beizubringen und vor allem zu verhindern, dass sie so tun, als würden sie die fehlende Einwilligung nicht sehen oder nicht verstehen.“
Wie gesagt ist leider das aufschlussreiche Interview hinter einer Paywall, durch Zufall bin ich wohl damals auf die Paywall-freie Version gestoßen oder es wurde rückwirkend ge-Paywalled. Hier dennoch der Link: https://www.philomag.de/artikel/manon-garcia-es-gibt-etwas-der-maennlichkeit-selbst-das-erklaert-was-gisele-pelicot
(vielleicht haben Sie Glück und können es doch aus irgendeinem Grund lesen, oder vielleicht haben Sie ein Abonnement)
The Excerpt
Antoine Camus: „In my summation I also referred to the idea of the gender dialogue, because I wanted to emphasize that while the court process revolved around sexual violence, it wasn’t about an accusation against masculine sexuality in general. On the contrary, it was about preserving the prospects of mutual thoughtfulness, a dialogue of the bodies and to achieve a better understanding of each other in the end. However, I have the impression that more doubts emerged for you, after the court process, regarding the chances for the maintenance of the gender dialogue…“
Manon Garcia: „I have become a bit pessimistic! For one, the civic participation of men and women differed significantly. While only a few men were really invested in it, most women were shocked and some even questioned their heterosexuality. I chose the title How to Live with Men, because I think that’s the really agonizing question the process raised: Is it possible to live with men, when they love women so slightly? In addition to that, only very few of the accused men in the trial showed guilt. I even had the impression, that some of the defending lawyers actively contributed to giving the accused the sense of not being guilty. Others shared a laugh amongst each other, others said scandalous things in court…
All in all, that actually makes me a little gloomy.
The ethical horizon of the gender dialogue I sketched now seems extremely far away, very utopian. But one thing is for certain: consent must be in the center of conversations, child raising and politics. Evidently, a lot of men don’t know anything about consent. It’s long overdue to teach them that and to prevent – in particular – that they act like they wouldn’t see or understand a lack of consent.“
As I already have mentioned, the insightful interview is unfortunately behind a paywall. Originality, I wanted to translate the whole thing. Only by accident, so it seems, I came across the Paywall-free version or a Paywall was put up retroactively. Still, here’s the link in case you are curious: https://www.philomag.de/artikel/manon-garcia-es-gibt-etwas-der-maennlichkeit-selbst-das-erklaert-was-gisele-pelicot
(perhaps you are lucky and you can read it for some reason, or you are already subscribed to the magazine)

Giséle Pelicot (geboren am 7. Dezember, 1952) wurde weltweit bekannt, nachdem sie es geschafft hat das Gericht zu überzeugen ihren Prozess gegen ihren geschiedenen Ehemann und 50 anderen Männern öffentlich auszuhandeln, in einer Bemühung um den Tätern die Scham zuzuweisen die sie systematisch vergewaltigt haben auf Einladung ihres Ehemanns.
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Giséle Pelicot (born on December 7, 1952) became known worldwide after she managed to convince the court to hold the process against her divorced husband and 50 other men in public, in an effort to shame the perpetrators who systemically raped her after being invited by her husband.
Mein Beitrag
Was Giséle Pelicot angetan wurde war grausam, entwürdigend und hat der Welt gezeigt wie sittenlos und charakterlich bankrott die Männer waren die sie vergewaltigt haben.
Ebenso macht es fassungslos, dass ihr Ex-Ehemann das so lange tun konnte ohne erwischt zu werden. Es passierte im privatesten und imtimsten Bereich unserer Privatsphäre: dem Schlafzimmer. Ausgeübt von einer Person die diesen „heiligen Bund“ der Ehe schloß.
Wut und Hass auf die Täter und das System, dass es möglich gemacht hat, sind nicht nur verständlich sondern erforderlich. Erforderlich damit jene Individuen ihr gesamtes restliches Leben damit sozial sanktioniert werden – von der Gesellschaft. Erforderlich damit dieser Gerichtsprozess der Anfang vom Ende dieses System ist und Pelicot’s Ex-Partner schon in kürzester Zeit aufgeflogen wäre in einer gerechteren Welt.
Daher sollte dieser Gerichtsprozess auch der Anfangspunkt nicht nur der deutschen Gesellschaft sein, sondern der vieler anderer Gesellschaften auch. Als ein Weckruf für eine Diskussion die viel intensiver und auf mehreren Ebenen stattfinden muss. Damit wir uns dem Ausmaß nochmal bewusst werden: „Pelicots Ex-Mann Dominique hatte vor Gericht gestanden, seine damalige Frau fast zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten betäubt, missbraucht und von Fremden vergewaltigen lassen zu haben. Er erhielt die Höchststrafe von 20 Jahren Haft“ (Quelle: tagesschau | 09.10.2025). Ein Jahrzent lang durchlitt Pelicot diese Folter von ihrem Mann. Und die Täter kamen aus allen Schichten der Gesellschaft, die meisten davon sind Familienväter wovon viele angesehene Berufe ausübten: „Ein Tischler ist dabei, ein ehemaliger Feuerwehrhauptmann, ein Journalist, ein Soldat, ein Krankenpfleger, ein Computerspezialist mit mehreren Universitätsabschlüssen.“ (t-online | 19.12.2024)
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung muss fortgeführt werden, ob auf der lokalen Ebene in Gemeinden oder bis nach ganz oben – auf der Bühne der Nationalpolitik.
Wie Pelicot bereits gesagt hat, geht es um „die von Machismus und patriarchalen Strukturen geprägte Gesellschaft“ die sich ändern muss. Die Söhne müssen dahingehend erzogen werden, dass Machismus nicht die einzige Weise ist die Männlichkeit auszudrücken sonderen die toxische. Der Machismus beinhaltet nämlich auch die Objektifizierung der Frau: Frauen werden nicht als gleichberechtigt angesehen, sondern als Menschen zweiter Klasse die sich dem Mann zu unterwerfen haben; die Bedürfnisse, Gefühle und Ambitionen der Frau spielen im machistischen Weltbild keine Rolle, da ihre Rolle eng begrenzt auf dass der Ehefrau (oder Freundin) ist die sich um das Wohl des Mannes (und/oder Kinder) kümmert. Folglich wird sich auch nicht um beiderseitige Zustimmung gekümmert.
Eine auf Gleichheit beruhende Gesellschaft muss also den Machismus und die patriachalen (Männer-dominierende) Strukturen beseitigen. Den Machtmissbrauch somit soweit reduzieren wie möglich und den Frauen auch kulturell auf die gleiche Ebene heben.
Nun zur gegenseitigen Aufmerksamkeit.
Auf dieser Augenhöhe, die wir versuchen kulturell zu erreichen, sollten daher auch die Themen besprochen werden die entweder ignoriert, heruntergespielt oder vernächlässigt werden. Bei den Männern wäre es zum Beispiel die mentale Gesundheit, weil es nach wie vor als Tabutheme gilt und Männer Angst vor Ausgrenzung, Unverständnis oder dem Verlust ihres beruflichen Ansehens haben aufgrund von gesellschaftlichen Erwartungen (Klinik Friedenweiler); bei den Frauen wäre es hingegen so etwas wie kostenlose Tampons und Binden in öffentlichen Toiletten, laut einer Befragung von Plan International im Jahr 2022 gaben nämlich 1/3 der unter 25-jährigen an zu günstigeren Produkten greifen zu müssen wegen Geldmangels und 13% gaben sogar an es weniger zu wechseln was zur Gefahr für ein Toxic Shock Syndrom wird und damit ein großes Risiko für ihre Gesundheit einhergeht (Apotheken Umschau | 29.11.2022). (Nur zwei Beispiele)
Es wird nicht leicht, vor allem jetzt wo die Reaktionären und faschistischen Kräfte im Aufwind sind – ob in den USA oder Deutschland. In einer Zeit, in der ein imperalistisches und zutiefst reaktionäres Russland, wo häusliche Gewalt quasi legalisiert wurde, einen friedlichen Nachbarn angegriffen hat und seither in brutalster Weise terrorisiert.
Nicht leicht, aber nicht unmöglich. In Zeiten des Umbruchs ergibt sich auch die Möglichkeit das Fundament einer neuen und gerechteren Gesellschaft zu bauen, indem die positiven Strömungen gestärkt werden (soweit wie es einem möglich ist, ob privat in einer kleiner Gruppe oder als Teil einer Organisation oder Partei) und die erreichten Fortschritte sogut wie möglich geschützt werden.
My Contribution
What Giséle Pelicot had to go through was cruel, degrading and has shown the world how immoral and temperamentally bankrupt the men were who raped her. What makes it equally infuriating is the that her former husband got away with it for so long. It happened in the most private and intimate part of our sphere of privacy: the bedroom. Committed by an individual who said yes to the „holy bond“ of matrimony. The anger and hatred towards the perpetrators and the system that enabled it are not just understandable, it is necessary.
Necessary, because those individuals deserve to be socially sanctioned for what they have done for the rest of their lives – by society. Necessary, so this court process will be marked as the beginning of the end of the system and that, in a more just world, Pelicot’s ex-husband would have been caught earlier.
Hence this court process should not only be the starting point for German society, but also that for many other societies too. It should be a wake-up call to have a more intensive discussion on several levels. Just so that we become aware of the scale of the abuse again: „In court, Pelicot’s ex-hubsand admitted to have drugged, abused and invited men to rape her over a period of 10 years. He received the maximum sentence of 20 years in prison“ (source: tagesschau | October 9, 2025). For one decade she had to suffer through this torture organized by her husband. And the perpetrators came from all the different layers of society, most of them men with their own families and a lot of them occupying esteemed jobs: „A carpenter is among them, a former fire chief, one journalist, one soldier, a male nurse and a computer specialist with several university degrees“ (t-online | December 12, 2024).
The societal discussion has to be continued, whether it is locally done in a municipality or on the very top – national politics. As Pelicot already said, it is „the society shaped by macho and patriachal structures“ that needs to change. The sons have to be raised in a way that machoism isn’t seen as the only way to express masculinity, but as the toxic way. Because it is machoism which also contains the objectification of women: Women are not viewed as equals, but rather as second-class citizens who have to subjugate themselves to men; the needs, emotions and ambitions of women are immaterial in the macho worldview, since their roles are narrowly confined as that of the wife (or girlfriend) who have to take care of the well-being of the husband (and/or children). Consequently, consent is disregarded.
An egalitarian society must therefore abolish any and all macho and patriarchal (male-dominated) structures. To limit the abuse of power as much as possible and to lift women on the same cultural level as men.
Let’s move on to mutual attention.
At eye level, which we try to achieve culturally, should therefore also be the issues addressed that went ignored, played down or neglected. In case of men, this would be mental health which is still considered a taboo and which is why a lot of men are afraid of ostracism, lack of understanding or losing their occupational status due to societal expectations (Klinik Friedenweiler); in case of women, it would be a topic like free tampons and pads in public toilets. According to a survey from Plan International from 2022, 1/3rd of the below 25-year olds said that they have to resort to cheaper products due to the a shortage of money, 13% even said that they change theirs less frequently which increases the risk of a Toxic Shock Syndrom and therefore becomes a great risk to their health (Apotheken Umschau | November 11, 2022). (Only two examples)
Given the current situation, where reactionary and fascistic forces are getting stronger, it won’t be easy. Whether it is in the US or Germany. During a time where an imperialist and deeply reactionary Russia, which basically legalized domestic violence, invaded their peaceful neighbour and has brutally terrorized Ukraine ever since.
But it’s not impossible. In times of upheaval there also lies the opportunity to build the foundation of a new society by strenghtening the positive currents (as much as possible, whether it is done in a small group or as a part of an organization or political party) and to protect the progress that has already been made as effectively as possible.
Schlusswort
Wie gesagt sollte dies mehr als Anstoß dienen, da eine öffentliche Diskussion auf Augenhöhe zwischen Frauen und Männern die Grundlage ist. Das Momentum sollten wir aufrechterhalten um unseren langfristigen Ziel, dem einer auf Gleichheit beruhenden Gesellschaft, immer näher zu kommen – auch wenn es Rückschläge geben wird.
Closing Remarks
As I have already said, this should be seen as an impulse for a public discussion on eye level between men and women as a basis. We should maintain the momentum to get closer to our long-term goal of an egalitarian society – even if there a setbacks.
Anmerkung: Ich selbst habe mich für einen freiwilligen Zölibat entschieden, mindestens für einen Jahr (seit Oktober 2025). Das Interview hat mich davon überzeugt, diesen philosophischen Zölibät einzuschlagen. Vielleicht wird es sogar länger als ein Jahr. Diese Zeit werde ich auch nutzen für tiefere Reflektionen über – unter anderem – Heterosexualität. Eventuell resultiert daraus eine Analyse.
Note: I personally have decided to go into a voluntary celibacy, at least for a year (since October 2025). The interview convinced me to devote myself to a philosophical celibacy. Maybe even longer than a year. I’ll use the time to also reflect on – amongst others – heterosexuality. Maybe with an analysis at the end.
