Meine Nachricht an SWR3

Am heutigen Tag zwischen 12:00 Uhr und 12:15 Uhr ging es bei SWR3 um die verschärften Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen durch die neue Bundesregierung. Was leider nicht vorkam, und was auch woanders in der medialen Landschaft so zu beobachten ist, war eine Einordnung: Dobrindt’s Verstoß gegen das EU-Recht, die Auswirkung von Grenzschließungen auf die Wirtschaft und unserer persönlichen Bewegungsfreiheit.
Den Schengenraum fallen wir damit auch in den Rücken, zu aller Leid.

Da ich nicht weiß ob es überhaupt den Raum der Abwägungen im SWR3-Redaktionsteam verlässt, will ich hier nochmal meine Position verdeutlichen.

Logo des Südwestrundfunks 3

Bemerkung: Einen Streit mit SWR3 an sich habe ich nicht, ich höre sehr oft deren Sendung während dem Autofahren und mag die Moderatoren und Moderatorinnen gern. Neben BR-Klassik und SWR1 einer meiner Lieblingssender.

Die Nachricht

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute Mittag (so um 12:00-12:15 Uhr) haben Ihre Moderatoren über die verschärfte Asylpolitik berichtet. Es war die Rede von Wahlversprechen und wie Merz-Dobrindt diese umgesetzt haben, was jedoch fehlte war die Einordnung: dass das, was gerade an unseren Grenzen geschieht, gegen EU-Recht verstößt.

Auch Legal Tribune Online hat bereits darüber geschrieben am 8. Mai, 2025 („Sind Dobrindts Zurückweisungen rechtlich möglich?“ von Dr. Christian Rath). Dort kommt er zu der Schlussfolgerung, dass §18 Abs. 2 Nr. 1 Asylgesetz nicht zur Anwendung kommen kann, weil deutsches Recht von EU-Recht überlagert wird.
Die Notlagenklausel im Artk. 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) greift hier ebenfalls nicht, bereits Ungarn versuchte dies vergeblich und die Asylgesuche in Deutschland sind bereits letztes Jahr deutlich zurückgegangen – damit kann eine Überforderung kaum belegbar sein. Unmutsgefühle allein reichen da nicht aus, ebenfalls nicht die Nicht-Befolgung von anderen EU-Staaten.

Hinzu kommt der wirtschaftliche Schaden.
Laut Springer Professional (Artikel: „Grenzkontrollen schwächen die Wirtschaft“ vom
20. September 2024) führt bereits eine temporäre Kontrolle zu eine Steigerung der Transport- und Warenkosten von 1,7% was dadurch das Handelsvolumen und Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit verringert und der Handel 1,1 Milliarden Euro pro Jahr kosten würde.
Beim Bruttoinlandsprodukt sogar eine Verringerung von 11,5 Milliarden Euro pro Jahr was dann die Rezessionsrisiken verstärkt. Insbesondere der Lebensmittelbranche droht ein Importverlust von 62 Millionen Euro, ebenfalls betroffen wäre der Bildungs- und Freizeitsektor durch die EInschränkung des Personenverkehrs wodurch weniger Freizeitdienstleistungen wahrgenommen werden würden.

Folglich entstehen unserem Land nicht nur EU-Rechtliche Defizite, sondern auch wirtschaftliche und persönliche. Und davon profitiert wiederherum die AfD, weil erstens ihre Politik umgesetzt wird (aber sie nicht in Verantwortung sind und hoffentlich nie sein wird) und zweitens sich die wirtschaftliche Lage in unserem Land verschlechtert was zu mehr Unzufriedenheit und Jobunsicherheit führt.

Schließlich werden die Grenzkontrollen ebenso dysfunktional sein wie das momentane Dublin-System, da die Flüchtlinge nicht vom Erdboden verschwinden. Stattdessen durchqueren sie halt die Wiesen und Wälder nach Deutschland.

Deutschland muss also unter allen Aspekten zur Rechtsstaatlichkeit und zum Normenstaat zurückkehren, vielleicht kommt dann auch endlich Bewegung in anderen Sachen von der aus eine viel größere Gefahr für unseren Staat, Gesellschaft und die Demokratie ausgeht: nämlich der Rechtsextremismus, der Jahr für Jahr ansteigt und neue traurige Rekordzahlen an Gewalttaten ausweist.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas [Baroque]

Quellen

Schreiben an die Bundespolizei
Sind Dobrindts Zurück­wei­sungen recht­lich mög­lich?
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/dobrindt-plaene-zurueckweisungen-pushbacks-eu-recht

Grenzkontrollen schwächen die Wirtschaft
https://www.springerprofessional.de/lieferkettenmanagement/logistik/grenzkontrollen-schwaechen-die-wirtschaft/50023252

Extra

Da wir gerade über Recht und Rechtsstaat reden: wenn Netanjahu Deutschland besuchen sollte, dann sind wir dazu verpflichtet ihn festzunehmen und an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Es gibt hier kein Wenn und Aber, selbst die Immunität hilft hier nicht wie der IStGH schon 2019 entschieden hat: „Zum Immunitätseinwand argumentieren die Professoren in der FAZ unter Verweis auf eine Entscheidung des IStGH aus dem Jahr 2019. Gegenstand war die nicht erfolgte Überstellung des ehemaligen sudanesischen Präsidenten Al-Bashir von Jordanien an den IStGH. Jordanien hatte sich ebenfalls auf die „Head of State immunity“ berufen, doch der IStGH erteilte diesem Argument eine Absage. Aus Art. 27 des Römischen Statuts folge, dass sich Staats- und Regierungschefs vor dem IStGH generell nicht auf ihre personelle Immunität berufen können. Dies gelte auch dann, wenn der Heimatstaat der gesuchten Person – wie Sudan und Israel – kein Vertragsstaat ist. Diese Regel ist nach Auffassung der neun Völkerrechtler nun zu Gewohnheitsrecht erstarkt, auch weil sie sich mit Entscheidungen einiger andere völkerstrafrechtlicher Tribunale decke. Folgt man dem, ist nicht die Immunität, sondern deren Nichtanerkennung Gewohnheitsrecht – und dann steht sie im Rang über den einfachen Bundesgesetzen. (LTO)

Eine ausführliche Erklärung gibt es in dem Artikel von Dr. Max Kolter auf der Legal Tribune Online: „Merz will Netanjahu-Besuch ermöglichen: Freies Geleit mit der Brech­stange“
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/friedrich-merz-einladung-benjamin-netanjahu-trotz-haftbefehls-des-istgh

Sollte Deutschland also das durchziehen, wäre es faktisch ein Bruch mit dem Völkerrecht, den Nürnberger Prinzipien, dem Internationalen Strafgerichtshof und der Gewaltenteilung.

Unsere Bundesrepublik wäre auf derselben Ebene wie Ungarn, die USA, China, Russland und weitere autoritär-geführten Länder in Sachen Recht.

Entweder haben wir vertrauen in den Internationalen Gerichtshof und internationales Recht, oder Deutschland wird selbst zum Totengräber eben jener.

Hinzugefügt weil es gerade thematisch passt.

Der Totengräber
Schau doch Jederman, diesen Spiegel an.
Des Lebens Klugheit lernen will,
der stehe bei den Todten still
und schaue wie das Spiel sich wende.
Was saget dann der Staub und Sand?
Ungleicher Tod! ungleicher Stand!
Das Wol und Weh hängt an dem Ende.

Totengräber, aus: Weigel, Christoph: Abbildung Der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände Von denen Regenten Und ihren So in Friedens- als Kriegs-Zeiten zugeordneten Bedienten an, biß auf alle Künstler Und Handwercker (…),Regensburg, 1698

Quelle
https://de.wikipedia.org/wiki/Totengr%C3%A4ber_(Beruf)

Veröffentlicht von thomasbaroque

Ich schreibe über politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Themen. Meine eigenen politischen Ziele ebenso. / I write about politics, the economy and science (my English isn't that good, though). My own political goals and ideas as well.

Hinterlasse einen Kommentar