Am gestrigen Tage wurde an die Befreiung des Vernichtungslagers KZ Auschwitz-Birkenau gedacht – dieses wurde am 27.01.1945 von der Sowjetischen Armee befreit.
Zu diesem Anlass schreibe ich über die jüdischen Kämpfer die mit an der Front gegen das nationalsozialistische Regime gekämpft haben. Und ihre Zahl war keineswegs gering, denn um die 1,5 Millionen Juden haben sich in verschiedenen Ländern gemeldet (von der USA zu der Sowjet Union bis zu Palästina das unter dem Britischen Mandat damals stand) um sich am Krieg auf der Seite der Alliierten zu beteiligen.
Am Ende gehen wir noch auf den Widerstand ein und warum dieser nicht in einem schwarz-weißen Bild gesehen werden darf.

Diese war 30.000 Mann stark und existierte vom 20. September 1944 bis zum Sommer 1946
(Bild: Wikipedia)
Umfang der Beteiligung
An den Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg beteiligten sich insgesamt 1.515.300 Juden – sei es in offiziellen Armeen, in Partisaneneinheiten oder anderweitig als Untergrundkämpfer. Die folgende Tabelle zeigt genaueres:

(Seite 21)
Durch den nationalsozialistischen Genozid wurden mehr als die Hälfte der Juden und Jüdinnen ermordet (dies begang mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939).
Bevor es die Gaskammern gab wurde ein ‚Holocaust durch Kugeln‘ durchgeführt, diesem fielen zwischen 1,5 und 2 Millionen zum Opfer.
Das Massaker von Babyn Jar (das größte Einzelmassaker auf europäischen Boden im Zweiten Weltkrieg) wurde am 29. und 30. September 1941 verübt, durch diesen wurden
33.000 Juden und Jüdinnen ermordet.
„Wehrmachtssoldaten halfen dabei, das Gelände zu umstellen und zu sichern. Die zusammengetriebenen Menschen mussten ihr Gepäck abgeben, sich bis auf die Unterwäsche ausziehen und in die mehre Meter tiefe Schlucht treten. Anschließend wurden sie dazu gezwungen sich mit dem Gesicht zum Boden hinzulegen und dann per Genickschuss ermordet. In regelmäßigen Abständen wurde der wachsende Leichenberg mit Sand und Geröll zugeschaufelt – die Schlucht wurde von den Rändern aus zugeschüttet.“
Als Ost-Europa nach und nach befreit wurde (1943/1944) und sich die Einheimischen mit an den Kriegsanstrengungen der Alliierten beteiligten, gab es nur noch wenige Juden die mit ihren nichtjüdischen Kameraden einrücken konnten. So ging auch der Anteil in der Polnischen Volksarmee in der letzten Phase des Krieges zurück (vgl. S. 22 u. 33)1.
Drei Hervorhebungen
Aus dem Buch aus dem die Tabelle ist, gibt es auch ein Kapitel das einzelnen Individuen gewidmet ist. Hier stelle ich drei von ihnen vor und was sie geleistet haben.
Mordechai Frizis (1. Januar 1893 – 7. Dezember 1940)

Als eines von 13 Kindern wurde er im Jahr 1893 in Chalkis auf der griechischen Insel Euboea geboren. Seine Eltern wollten dass aus ihm ein Jurist wird, dem hat er sich jedoch nicht gefügt und ist stattdessen zur Armee gegangen. Er diente auch im Ersten Weltkrieg.
Im Jahr 1940 glang ihm eine erfolgreiche Abwehr der italienischen Invasion was das Dritte Reich dazu zwang, Griechenland selbst zu erobern. Dies verzögerte den Angriff auf die Sowjetunion um 6 Wochen (einige Historiker seien der Meinung, dass dies die Eroberung Moskaus durch die Wehrmacht vor Wintereinbruch verhinderte [vgl. S. 54]1).
Am 5. Dezember, als er versuchte die italienische Truppen an einem geordneten Rückzug zu hindern, wurde er bei einem Fliegerangriff getötet. Frizis ritt auf einem Pferd um das Gefecht besser steuern zu können, weigerte sich jedoch herunterzusteigen was ihm dann zum leichten Ziel machte.
In Griechenland wird Mordechai Frizis als Nationalheld verehrt; in seinem Heimatort Chalkia steht ein Reiterdenkmal das ihm gewidmet ist.

Lydia „Lilia“ Litwak (18. August 1921 – 1. August 1943)

Lydia Litwak wurde am 18. August 1921 in Moskau geboren. Als Jugendliche trat sie einem Fliegerclub bei und absolvierte im Alter von 15 Jahren ihren ersten Soloflug.
Bei Stalingrad konnte sie ihre ersten Abschüsse verbuchen. Der oben angegebene Name „Lilie“ war der Kosename unter ihren Kameraden, dies veranlasste sie auch dazu eine Lilie auf ihre Maschine malen zu lassen. Die Zeichnung wurde von den deutschen Piloten falsch gedeutet was zur Bezeichnung „Weiße Rose von Stalingrad“ führte.
Im März 1943 wurde sie verwundet durch mehrere deutsche Flieger, kehrte jedoch zurück zu ihrem Stützpunkt. Als sie im Mai über feindlichen Gebiet abgeschossen wurde, kämpfte sie sich zurück zur sowjetischen Seite und stieg trotz Verwundung wieder in die Pilotenkanzel. Dann, am 1. August desselben Jahres, griffen acht deutsche Jagdflugzeuge des Typs Messerschmitt Bf1 ihre Jakowlew J-1 an. Ein Gefecht, das sie nicht überlebte.
Zum Zeitpunkt ihres Todes hatte sie den Rang des Oberstleutnants inne, und mit zwölf gesicherten Abschüssen war sie zudem die erfolgreichste Kampfpilotin des Zweiten Weltkriegs. Schließlich, im Jahr 1990, erhielt sie von Michail Gorbatchow den Titel „Held der Sowjetunion“ nachdem ihre Überreste gefunden wurden (Quelle: „A Dance With Death: Soviet Airwomen in World War II„, S. 158).

Tuvia Bielski (8. Mai 1906 – 12. Juni 1987)

Tuvia Bielski wurde im Jahr 1906 geboren und lebte im 1939 von der Sowjetunion besetzten Polens. Seine Aktivität bei den Partisanen begann mit dem deutschen Überfall auf die UdSSR. Mit seinen Brüdern Zussia, Assael und Aharon flüchtete er in die Wälder von Naliboki das heute im westlichen Belarus liegt.
Zusammen mit anderen Juden stellten sie kleinere Kampfgruppen auf die dann im Laufe der Zeit auf über 1.200 Partisanen wuchs. Doch nicht nur kampfbereite Juden und Jüdinnen schlossen sich ihnen an, sondern auch Hunderte unbewaffnete. In dem Waldlager das sie aufgestellt hatten gab es auch Einrichtungen wie Schulen, Werkstätten und Synagogen.
Die Bielski-Partisanen konnten 1.200 jüdische Nichtkämpfer retten, was angesichts der Verfolgungsmachinerie der Nationalsozialisten eine große Anzahl ist.
Nach Kriegsende emigrierte er zuerst nach Israel, einige Zeit später im Jahr 1957 zog er dann zu seinen Brüdern Zussia und Aharon die in den Vereinigten Staaten lebten.
30 Jahre später starb Tuvia Bielski.
Seine Geschichte wurde im Jahr 2008 verfilmt, in diesem spielte auch Daniel Craig mit (Englischer Titel: „Defiance“; Deutscher Titel: „Unbeugsam„) der den meisten als James Bond bekannt sein wird.

Widerstand ist nicht Schwarz-Weiß
Nun zum letzten Thema: dem Widerstand in Nationalsozialismus. In einem Artikel von ZeitGeschichte aus „Jüdisches Leben in Deutschland – Zwischen Selbstbehauptung und Verfolgung“2 heißt es, dass der jüdischen Bevölkerung Passivität unterstellt wurde (unter anderem von Hannah Arendt als sie über den Prozess gegen Adolf Eichmann schrieb und dem Historiker Raul Hilberg in seinem Buch „Die Vernichtung der europäischen Juden“).
Dass dies nicht der Fall war – wie auch schon der obere Teil zuvor zeigte -, ist an den vielfältigen Reaktionen und Handlungen zu sehen. Hier in kurzer Form ausgeführt:
- Individuelle und institutionelle Proteste: Verfassen von Petitionen und Denkschriften in denen sie sich um die Verbesserung ihrer Situation einsetzen
- Selbstbehauptung: Verweigerung Anordnungen zu befolgen und aktive Beteiligung in Widerstandsgruppen
- Selbstbestimmung: Untertauchen, Flucht und – unter gegebenen Umständen im schlimmsten Fall – sogar das eigene Leben sich zu nehmen
- Verhinderung Schlimmeres: Dies war ein Versuch um die antijüdische Politik abzumildern, so unterstützte die Reichsvereinigung der Juden die Auswanderung, versorgte Zurückgebliebene (die Älteren), verzögerte Deportationen und versuchte Härte abzumildern
- Überleben: Eine bekannte Gruppe ist die Chug Chaluzi (Kreis der Pioniere), eine zionistische Bewegung die den Gang in den Untergrund als wichtigste Form des Widerstands war (da die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Ziel der Nazis war und jedes gerettete Leben damit als ein Akt des Widerstandes gesehen werden kann), wie es der Leiter Nathan Schwalb ausdrückte, der die Gruppierung mit seiner in Genf-sitzenden Zentrale des Hechaluz unterstütze: „Mit jedem Leben, das wir retten, bekämpfen wir Hitler.“
Auch muss jedem klar werden, dass damals die meisten nicht vorausahnen konnten wie weit die Nationalsozialisten gehen würden. Hinzu das Dilemma dass das Regime Kollektivstrafen verhing und so durch die Aktionen einzelner viele mehr in das Visier geraten konnten (Beispiel: Anschlag auf die Propagandaausstellung Sowjetparadies
im Jahr 1942, 154 andere Berliner Juden wurden mit 96 jüdischen Häftlingen im KZ Sachsenhausen erschossen. Weitere 250 wurden auch in Sachsenhausen ermordet oder nach Auschwitz deportiert). Ich schließe es ab mit einem Zitat von dem Artikel: „Eine solch differenzierte Darstellung der jüdischen Reaktionen bedeutet vor allem eines: Wir müssen das einseitige Opfer-Narrativ überwinden. Das hat Folgen auch für die Erinnerungs- und Gedenkkultur: Wer die Jüdinnen und Juden als bloße passive Opfer betrachtet, nimmt ihnen noch im Nachhinein die Individualität und Würde und adaptiert die Sicht der Täter.“ (S. 107)
Quellen
1An Allen Fronten – Jüdische Soldaten im Zweiten Weltkrieg
ISBN: 978-3-942271-80-6, Verlag: Hentrich & Hentrich
2Jüdisches Leben in Deutschland – Zwischen Selbstbehauptung und Verfolgung
Artikel: „Mit jedem Leben bekämpfen wir Hitler“ (S. 104-108)
Memorial and Museum: Auschwitz-Birkenau
http://www.auschwitz.org/en/
Bild: Identifikationssymbol Jüdische Brigade
https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdische_Brigade
Vor 80 Jahren: Massaker von Babyn Jar
https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/340854/massaker-von-babyn-jar
Bild: Denkmal an Frizis
https://www.jewishpress.com/sections/features/features-on-jewish-world/a-jewish-soldier-in-greece/2015/05/26/?print
A Dance with Death: Soviet Airwomen in World War II
https://www.google.de/books/edition/A_Dance_With_Death/-ESSJzUOk2oC?hl=en&gbpv=0
Bild: Lydia Litwak
https://de.topwar.ru/33923-litvak-lidiya-vladimirovna-gody-zhizni-1921-1943.html
Bild: Tuvia Bielski
https://www.jewishpartisans.org/content/resist-curriculum
Film Poster: Unbeugsam
https://www.imdb.com/title/tt1034303/