Ernährung ist kein Politikum

Eine weitere traurige Entwicklung des 21. Jahrhunderts ist wie die Ernährung zum Politikum wurde. Die Erhebung der Ernährungsfrage zum Kulturkampf, eine Strategie die gesamtpolitisch sowieso nur auf Ablenkungen und Scheinlösungen zielt, gefährdet nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt (wenn z. B. in Deutschland eine vegetarische oder vegane Ernährung nur den Grünen oder der Linken zugeschrieben wird, während eine fleischlastige den konservativen Parteien CDU/CSU) sondern kann auch leicht dazu führen wissenschaftliche Erkenntnisse zu ignorieren wenn sie nicht ins eigene Narrativ passen.

Lebensmittel bei Daria-Yakovleva (Pixabay)

Ziel der Ernährung

Das eigentliche Ziel der Ernährung, neben dem erreichen der erforderlichen Kalorienmenge (je nach Alter, Geschlecht, Beruf, sportliche Aktivitäten etc.), ist eine gewisse Ausgewogenheit. Es muss nicht 1:1 die Ernährungsempfehlungen sein, ich selbst würde es auch nicht schaffen jeden Tag darauf zu achten – manchmal isst man einfach das, auf was man Lust hat. Es geht mehr darum der Ausgewogenheit zumindest nahe zu kommen in dem über die Woche hinweg viel Wasser, Obst, Gemüse und Getreideprodukte zu sich nimmt. Dies kann z. B. ein Obstsalat am Wochenende sein, dann wenn auch mehr Zeit da ist um Speisen mit längerer Vorbereitungszeit zu machen; es kann Grillgemüse sein das in großer Menge zubereitet, aber durch die Woche hinweg als Beilage zu Fleisch, Fisch oder so an sich gegessen werden kann. Wer sich strikter daran halten will: mehr als 3/4 der Nahrung die Ihr zu euch nimmt sollte pflanzlicher, und 1/4 tierischer Herkunft sein (Quelle: Bundeszentrum für Ernährung).

Den Fleischkonsum muss man auch nicht gleich drastisch kürzen. Wer bisher jeden Tag einen Leberkäswecken oder eine Bratwurst zwischen einem Wecken gegessen hat, der kann an einem Tag der Woche eine vegetarische Option wählen. Seien es erstmal nur die veganen Mühlen Frikadellen die es im Rewe gibt oder Zucchini-Wraps durch eigene Zubereitung (SWR3 hat dazu bereits ein Beitrag geschrieben, dort findet Ihr auch das Rezept und die Anleitung zum selber machen).

Neben der Zucchini beinhaltet der Zucchini-Wrap auch Käse, Pesto, Tomate und Rucola.
(Bildquelle: Mealime)


Abwechslungsreich sollte die Ernährung ebenfalls sein, sowie ballaststoffreich.
„Ballaststoffe sorgen für ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl, dadurch wirken sie Übergewicht entgegen. Außerdem stimulieren sie die Darmtätigkeit. Sie stärken so die körpereigenen Abwehrkräfte, denn der Darm ist unser wichtigstes Immunorgan. Entscheidend dafür, dass es funktionieren kann, sind die Vielfalt der im Dickdarm lebenden Bakterien (Darmflora) und eine intakte Darmschleimhaut. Zu viel Zucker ist Gift für ein gesundes Darmmilieu. Ballaststoffe dagegen unterstützen den Darm bei seinen Aufgaben.“ (NDR)
Wichtig ist aber nicht gleich eine große Veränderung herbeizuführen, sondern den Körper schrittweise an eine ballaststoffreichere Ernährung zu gewöhnen sowie genügend Wasser zu trinken. Mit Abwechslungsreich ist hingegen gemeint, dass die gesamte Palette der Lebensmittel (insofern keine Allergien vorherrschen) auszunutzen ist und, wenn finanziell möglich (was leider in dieser Zeit auch ein Versagen der Politik ist), nachhaltig.
Jene im Niedriglohnsektor und andere sozialbenachteiligte Gruppen leiden daran am meisten, weil sie sich ständig Sorgen um ihre Finanzen machen müssen und folglich die richtige Ernährung eine geringere Priorität einnimmt. Statt aber dieser Gruppe aus ihrem Dilemma zu helfen finden wir das Gegenteil in der Politik, wo oft lieber nach unten getreten wird und mit Desinformation auch noch die letzte Aufstockungsmöglichkeit des Lohnes versucht wird zu rauben und die Misere dadurch nur noch weiter steigt.

Tatsachen und Wissenswertes

In der Schule haben wir noch was zu der Ernährungspyramide gelernt um ein Ernährungsbewusstsein schon früh zu entwickeln. Notwendig, schließlich haben nicht die Eltern für alles Zeit und wenn es richtig angegangen wird dann lernen die Schüler und Schülerinnen für das Leben. Und darum sollte es ja im unseren Bildungssystem eigentlich gehen. Schüler und Schülerinnen sollten nicht zu Arbeitsdrohnen herangezogen, sondern mithilfe des Lehrpersonals sich selbst in mündige Erwachsene mit einem soliden Grundwissen entwickeln. Idealerweise unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund.

Eine Ernährungspyramide wie sie das Bundeszentrum für Ernährung auf ihrer Website hat, das unterste ist ein Glas Wasser
(Stand: 17. August, 2025 um 14:05 Uhr)

Seit Jahren ist diese Ernährungspyramide, in leicht verständlicher Form, Teil des Unterrichts. Die Ernährungsempfehlungen sind wissenschaftlich fundiert durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Hierbei bedeuten die Farben:
grün = reichlich, gelb = mäßig und rot = sparsam.

Wie es auch auf der Website des Bundeszentrums für Ernährung steht, soll die Pyramide nur eine grobe Orientierung geben und lässt dem Individuum Platz für die eigenen Bedürfnisse, Vorlieben oder Abneigungen, Gewohnheiten und Traditionen. Auch hier wird betont, dass eine rigide kontrolle und schlechtes Gewissen kontraproduktiv sind. Es gibt mal Tage die nicht optimal verlaufen, aber das lässt sich im Laufe der Woche ausgleichen.
Schließlich geht es noch um das Hinterfragen und die Reflexion der Zutaten, so gebe es manchmal mehr als eine richtige Zuordnung.

Auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gibt es auch eine Sektion der Gezielten Ernährung, hier gibt es die Kategorien Sportler/innen, Schwangere und Stillende, Kinder und Jugndliche, Säuglinge und Kleinkinder, Berufstätige, Ältere Menschen sowie Informationen zur Mangelernährung.
Wenn Sie sich also auf Ernährung spezialisieren möchten oder einfach mehr darüber wissen wollen, dann sind diese Artikel was für Sie.

https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gezielte-ernaehrung/

Es gibt also keinen Mangel an Entscheidungsmöglichkeiten und Selbstgestaltung.
Leider verhalten sich einige Politiker und Politikerinnen wie Kleinkinder die kein Brokkoli mögen, nur dass sie ein noch größeres Theater machen – dazu später noch mehr.

Jetzt kommen wir erstmal zu einer Veggie-Day Analyse, damit wir sehen welche Auswirkungen dieses Experiment in den USA hatte und was sich verbessern lässt.

Zeitung: Land & Forst – Die Stimme der Landwirtschaft seit Generationen
Autorin: Renate Bergmann
Artikel: https://www.landundforst.de/tier/veggie-day-bringt-wirklich-fuers-klima-studie-klaert-573268

Univsersität: Cornell-University in New York
Objektiv: Auswirkung des fleischfreien Tages auf Umwelt, Essverhalten und Ernährung
Methodik: Über 18 Monate hinweg 67 fleischfreie Tage (d.h. einmal pro Woche), getestet in 12 Cafeterias auf einen großen Universitätscampus. 400.000 Lebensmittel wurden analysiert. Hinweis: Studie war pre-print zur Zeit des Artikels (25. April, 2025).
Studie: https://arxiv.org/abs/2504.02899

Ergebnisse (wörtlich übernommen von dem Artikel):

Positiv

  • reduzierte die lebensmittelbedingten Treibhausgasemissionen (THG) auf dem Campus an den betrachteten „Fleischlos-Tagen“ um 52,9 %
  • trug zu einer verbesserten Ballaststoff- (+26,9 %) und geringeren Cholesterinaufnahme (-4,5 %) bei, ohne die Kalorienaufnahme zu verändern

Negativ

  • Allerdings gingen diese ernährungsphysiologischen Vorteile mit einer geringeren Proteinaufnahme (-27,6 %) und einem höheren Zuckerkonsum (34,2 % ) einher.
  • Allerdings gingen diese ernährungsphysiologischen Vorteile mit einer geringeren Proteinaufnahme (-27,6 %) und einem höheren Zuckerkonsum (34,2 % ) einher.

Der Veggie-Day erzielte aber keine nachhaltigen Ergebnisse, so stieg der Fleischkonsum danach um 3,5% und die Mahlzeitenverkäufe sanken während den fleischfreien Tagen um gut 17%. Zudem gibt es noch ein Problem: die Treibhausgaseinsparungen können leicht zunichte gemacht werden, wenn nur 9% der Kantinen-Besucher außerhalb des Campus Fleisch konsumieren würden.

Rat der Forscher: die fehlende Kundenbindung sei die größte Schwachstelle, daher sollte der Veggie-Day mit Kundenbindungsmaßnahmen kombiniert werden. Dadurch könnten die Vorteile besser erreicht werden.

Ernährungsbewusstsein

Laut einer Umfrage von 6.000 18-64 jährigen, von Juli 2023 bis Juni 2024, gaben 54% der Deutschen an sich aktiv darum zu bemühen sich gesund zu ernähren. 40% gaben an, weniger Fleisch essen zu wollen und 38% versuchen Plastikverpackungen zu vermeiden.
Weitere 34% haben angegeben, dass sie auf künstliche Zusatzstoffe verzichten.
Beim Fleischkonsum gibt es Fortschritte: waren es 2012 noch 61,5 kg Pro-Kopf, so waren es im Jahr 2024 53,3 kg Pro-Kopf (ca. -14% innerhalb von 12 Jahren).
Schwein führt mit 28,4 kg, danach kommt Geflügel mit 13,6 kg, auf dem dritten Rang liegen Rind und Kalb mit 9,3 kg, Schaf und Ziege bei 0,5 kg und sonstiges Fleisch liegt bei 1,4 kg (Quelle: Statista).

Was aber auch zum Vorschein kommt: 25% der Befragten sagen, dass Lebensmittel bequem und schnell sein sollen (worunter wohl auch Fertigprodukte fallen, wie Tiefkühlpizza).
Generell sind Fertigprodukte der Gesundheit nicht förderlich. 17% gaben sogar an, dass sie nicht gerne kochen.

Schließlich noch eine bittere Pille: 12% der Befragten haben ausgesagt, dass sie es sich nicht leisten können sich gesund zu ernähren. Hier muss die Politik ansetzen: die finanzielle Situation der Geringverdienenden muss verbessert werden und gesunde Nahrungsmittel so gefördert werden, dass sie für jedermann erschwinglich werden.

Ernährungsverhalten der deutschen laut einer Umfrage (Juli 2023 – Juni 2024)
(Quelle: Statista)


Die Politisierung der Ernährung

Soweit so gut, aber dann ist es schließlich so gekommen wie es nicht hätte kommen müssen: die Ernährung wurde zum Politikum.

Nun heißt es, wer bei den Grünen oder der Linken sei, der oder die ernährt sich vor allem vegetarisch während das Fleischessen was konservatives ist und der rechtsextreme Rand sogar eine rein fleischliche Ernährung propagiert ohne Fundament. Die Ernährung wird von etwas gesundheitlichem zu einer politischen Position.

Auch wenn momentan noch ein stärkeres Ernährungsbewusstsein vorherrscht und ein gewisser Fortschritt sich abzuzeichnen scheint, so wissen wir leider alle dass die rechtsradikale Propagandamaschinerie dies ebenso aufhalten will wie das Recht auf Asyl (unser werter Innenminister Dobrindt hat hier dem ‚Ausländer raus‘ freie Fahrt gelassen indem alle humanitäre Programme gestoppt wurden). Sogar politisch Verfolgte können sich nicht länger darauf verlassen: „Ähnlich wie ihm [Alexej Moskaljow] geht es derzeit Hunderten Menschen aus Russland und etlichen Personen aus Belarus, die zum Zeitpunkt des Aufnahmestopps mitten im Visaprozess steckten oder bereits feste Zusagen aus Deutschland hatten. Einige der Wartenden befinden sich weiterhin in Russland. Unter ihnen sind Kriegsgegner, Aktivistinnen, Journalisten, Menschenrechtlerinnen und Kooperationspartner deutscher Stiftungen. Hinzu kommen wohl Tausende, die den Aufnahmeprozess noch nicht begonnen hatten.“ (Quelle: Die Zeit – 12.08.2025)

In diesem Kulturkampf, der besonders von der rechtsextremen AfD geführt wird, geht es nicht um das finden eines Konsens (wie es in einer Demokratie üblich ist). Es geht um die Etablierung eines Meinungsmonopols in der Kritik und Andersdenkende als Zensur diffamiert werden. Allein die Befürwortung eines anderen Lebensstils, in diesem Kontext wäre es zum Beispiel eine vegetarische Ernährung, wird als Angriff auf die eigene Person gewertet. In den sozialen Medien ist dies am sichtbarsten.
Folglich geht es nicht darum irgendwelche Nach- und Vorteile aufzulisten, oder was mit den Bauern langfristig passiert die sich auf Schweinezucht spezialisiert haben und so ihr Brot verdienen, sondern allein um die Verteidigung des eigenen Lebensstils aufgrund eines imaginären Angriffs. Die Politik der AfD folgt genau denselben Muster – wenn sie nicht grad für völkisch-nationalistische Ziele wie der Massendeportationen von Millionen von Deutschen argumentiert (auch bekannt als „ethnische Säuberung“, was der AfD hier vorschwebt geht nur wo kein Rechtsstaat mehr existiert und Gewalt akzeptabel ist).

Ich gehe deswegen in dieser Sektion auf den Kulturkampf ein, weil es wie gesagt um die Meinung und Meinungsmache geht (wie auch die erfolgreiche Hetzkampagne vom rechtsradikalen Propagandanetzwerk NIUS gegen die hochqualifzierte Juristin Borius-Gersdorf gezeigt hat), nicht mehr um die Wissenschaft die unserer Gesellschaft und der Politik bei schwierigeren Fragen zu einem Konsens verhelfen kann. Wenn sich aber ein demokratisches Land nicht mehr an Fakten orientiert die diesselbe Realität wiederspiegeln, dann geht es am Ende nur noch um Meinungshoheit.

Das beste wäre also sich diesem Kulturkampf abzuwenden und sich wieder auf reale Probleme zu konzentrieren, es läuft seit Jahrzehnten genug falsch im unseren Land über dass sich Streiten lässt und die berechtigte Wut produktiv umzuwandeln damit langfristige und echte Änderungen herbeigeführt werden von der auch zukünftige Generationen profitieren werden. Leider steuern wir aber derzeit auf das Ende der Klippe zu…

Um es nochmal kurz und kompakt zu halten: die Ernährung wurde politisiert damit zum einen von echten Problemen abgelenkt wird und zum anderen weil jene die es inszenieren sich als Opfer von Zensur oder gar Verboten darstellen können (-> Befürwortung eines anderen Lebensstils als Angriff auf die Person, auch politische Maßnahmen betreffend).
Und wenn es einmal mit einer politischen Identität verknüpft wird, dann trauen sich auch immer weniger zu sagen warum sie ihre Ernährung geändert haben oder lassen es bleiben.

Was jetzt?

Der Kulturkampf ist, neben dem Rechtsextremismus, einer der größten Plagen unserer Gesellschaft. Das letztere geht mit dem ersteren Hand in Hand, wie wir wissen.

Wir können aber dem Kulturkampf was entgegensetzen: den Discounter-Populisten (wie Markus Söder und Hubert Aiwanger) und Rechtsextremisten der AfD mit ihren eigenen Aussagen und Widersprüchen konfrontieren. So wie es Fabian Köster in der heute Show gemacht hat mit Markus Söder. Was auch schon lange zu Recht gefordert wird ist ein Live Fakten-Check während den Talkshows damit Halbwahrheiten, Unwahrheiten, Lügen und Täuschungsversuche schnell und rechtzeitig aufgedeckt werden können.
Vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist hier in der Pflicht!
Diese gemütlichen Sommerinterviews mit einer gesichert rechtsextremen Partei wie der AfD sind ein Affront. Eine E-Mail würde ich nicht schreiben, ein physischer Brief in Massen (d.h. von mehreren Personen) würde aber sehr viel mehr Wirkung haben.

Der Fakten-Check gilt dann selbstverständlich für alle Politiker und Politikerinnen, egal welcher Partei sie angehören. Ansonsten ist einmal das Wort raus und um den Fakten-Check nach der Sendung kümmern sich nur wenige.

Falls Sie sich mal auf einem Bürgerdialog befinden (oder anderen Veranstaltungen, wo Fragenstellen möglich ist), dann können Sie es auch ähnlich wie Köster machen indem Sie sich zuvor darauf vorbereiten. Ein Video können Sie sehr wahrscheinlich nicht abspielen, aber dafür Datum und den Artikel (oder sogar das Zitat während einer Wahlkampfrede) nennen. Live fallen dann ausweichende Antworten oder Ablenkungen noch besser auf.
Wenn es bei der Veranstaltung um ein bestimmtes Thema geht, sollte es aber im Rahmen dessen bleiben. Die „Kulturkämpfer“ sind einfacher in die Ecke zu drängen als man glaubt.

Gegen die Spalter der Nation! Gegen den unsinnigen Kulturkampf!


Veröffentlicht von thomasbaroque

Ich schreibe über politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Themen. Meine eigenen politischen Ziele ebenso. / I write about politics, the economy and science (my English isn't that good, though). My own political goals and ideas as well.

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