Analyse: Reaktionen in Bezug auf den Charakter Alfred Tetzlaff aus der Serie „Ein Herz und eine Seele“

Vor einer Woche, am 15. Januar 2023, war das 50.-jährige Jubiläum der Serie „Ein Herz und eine Seele“ die in den 1970ern vom WDR ausgestrahlt wurde. In diesem Eintrag geht es um die Analyse von vier Nachrichtenanbietern bzw. vier Autoren von vier verschiedenen Nachrichtenanbietern. Der Hauptfokus, wie der Titel schon offenbarte, liegt auf dem Charakter Alfred Tetzlaff um den es in den Artikeln hauptsächlich geht.

Köln Seitenflügel des WDR-Funkhauses an der Rechtschule im Jahr 1965
(Bildquelle: Wikipedia)

Hintergrund

Grund für diesen Blogeintrag war die zufällige Begegnung mit diesem „Kultcharakter“ (wie Tetzlaff beschrieben wird) in Artikeln von verschiedenen Nachrichtenagenturen. Da ich selber die Serie „Ein Herz und eine Seele“ noch nie gesehen habe, geht es hier nur um eben diese Persönlichkeit dessen Charakter übereinstimmend in allen vier Quellen beschrieben wurde.

Drehbuchautor dieser Serie war Wolfgang Menge (10. April 1924, Berlin – 17. Oktober 2012, ebenda) der zuvor schon durch seine anderen Werke bekannt wurde wie „Das Millionenspiel“ (1970) und „Smog“ (1973)1. Die Serie „Ein Herz und eine Seele“ basiert auf der englischen Sitcom „Till Death Us Do Part“ die von 1965 bis 1975 in Großbritannien lief.
Wie zuvor schon erwähnt war die Erstausstrahlung am 15. Januar 1973 („Das Hähnchen“) und die letzte Folge lief am 22. November 1976 („Schlußwort“). Tagesaktuelle Ereignisse wurden auch kurzfristig in die Dialoge eingearbeitet, aufgenommen wurden die Folgen kurzfristig am Tag ihrer Ausstrahlung vor einem Studiopublikum.

Analyse

Gegenstand meiner Analyse war Der Tagesspiegel, die Süddeutsche Zeitung, Stern und die Jüdische Allgemeine. Ich habe jeweils eine Kurzversion jedes Artikels in Tabellenform angegeben, mit Logo, wie es auf mich gewirkt hat (Wirkt) und dem Autor. Nur bei dem Artikel von Stern konnte ich kein Autor finden, weshalb dort ein „?“ steht.
Die Artikel an sich sind länger, deshalb ist nur das in der Kurzversion drin was mit Tetzlaff zu tun hat und/oder die Reaktionen während der Laufzeit.

Kategorisierung

In „Wirkt“ beschreibe ich meine subjektive Wahrnehmung der Artikel, wobei „Kritisch-Positiv“ heißt dass sich ein Autor mit dem Artikel kritischer befasst hat aber eher ein positives Bild von dem Charakter und der Serie gesamt hat; „Kritisch-Negativ“ ist ähnlich wie Ersteres, nur eben dass die kritische Auseinandersetzung vom Autor eher ein negatives Bild von dem Charakter und der Auswirkungen der Serie insgesamt hat, und schließlich noch „Enthusiastisch“ dass sich anders nicht beschreiben lässt mit der hochlobenden Art.
Erläuterung dazu kommen nach der Tabelle die die Kurzversion zeigt:

Erläuterung

Im Tagesspiegel wurde der Artikel unter der Rubrik „Gesellschaft“ veröffentlicht. Dort wurde nicht nur geschrieben wie außergewöhnlich die Sendung gewesen sei in dieser Zeit, sondern auch die Reaktionen darauf. Hier, wie in allen anderen Artikeln, wird auch erwähnt dass manche den Schauspieler mit Hitlergruß begrüßt haben weil sie nicht die Satire verstanden haben oder verstehen wollten. Ein leicht kritischer Blick lässt sich erkennen, auch wenn die rhetorischen Fragen wie „Gibt es noch Fernsehen, das sich solches traut?“ (in Bezug auf die Einbindung tagesaktueller Themen) oder „Hätte ein „Ekel Alfred“ heute noch Chancen auf Auftritt und Applaus? Fällt das nicht alles aus dem Rahmen dessen, was als „politisch korrekt“ gelitten ist?“ einen klaren positiven Schwung verzeichnen.

In der Süddeutschen Zeitung wurde der Artikel unter der Rubrik „Politik -> Fernsehen“ veröffentlicht. Wie schon in der Kurzversion geschrieben hat der Autor eine sehr positive Meinung zur Serie, was auf mich sogar enthusiastisch gewirkt hat. So das bereits erwähnte Zitat in voller länge: „Es war die ganz große Zeit von Marika und Liselotte, Helmut und Hansi. Dann aber, vor exakt 50 Jahren, tauchte erstmals der nordrhein-westfälische Materiallagerverwalter Alfred Tetzlaff im Wohnzimmer auf, in der TV-Serie „Ein Herz und eine Seele“. Und wie er sie einriss, die hübschen Kulissen der verlogenen Ohnsorg-Millowitsch-Komödienstadel-Welt!“ und „Im Gegensatz zu Ekel Alfred schmissen sich die, die eine der begehrten 80 Eintrittskarten für die Aufzeichnung erhalten hatten, im Studio vor Lachen fast weg“. Hier wird ebenfalls dieser zweifelhafte Ruhm erwähnt und wie der Schauspieler mit Hitlergruß von manchen begrüßt wurde. Er argumentiert, dass die Serie aber ebendiesen Antisemitismus, Frauen- und Ausländerhass aufzeigen wollte wie er noch in der Gesellschaft zu dieser Zeit vorhanden war – und die Altnazis in Vereinen.
Danach beginnt wieder das hochlobende und schon zumindest leicht trivialisierende in Bezug auf den realen Rechtsextremismus.

Im Stern wurde der Artikel unter der Rubrik „Kultur -> TV“ veröffentlicht. Gleich am Anfang wird Tetzlaff als chauvinistsch charaktisiert und wie es das Klischee des „reaktionären deutschen Spießers und Besserwissers“ sei. Hier werden ebenfalls über die Protestbriefe und die Kontroverse geschrieben. Wie in den Artikeln zuvor die auch die Zitate vom Tetzlaff enthalten, wird das eher feindselige Verhalten zur Familie deutlich und vielen anderen: „Diesem Vertreter eines nicht nur in den 70ern weit verbreiteten Männertypus sind die „Sozis“ an der Macht ebenso suspekt wie Juden, Ausländer oder undeutsches Essen (Pizza!).“
Im ganzen, wie im Tagesspiegel, auch eine positive Haltung des Autors zu erkennen.

In der Jüdischen Allgemeinen wurde der Artikel unter der Rubrik „Kultur“ veröffentlicht.
Gleich am Anfang wird deutlich gemacht, dass der Autor den Charakter nie mochte. Über die Auswirkung auf den Gesellschaftlichen Diskurs wird hier ebenfalls berichtet: „Der Aufschrei war laut und kam von allen Seiten. Die einen erblickten sich im Spiegel, fühlten sich beleidigt und ertappt. Die anderen befürchteten, mit »Ekel Alfred« werde die nur schlummernde rassistische und antisemitische Gemütslage der Deutschen zu neuem Leben erweckt.“
Doch es geht weit über die persönliche negative Einstellung des Autors zum Charakter des Tetzlaffs hinaus, so wird über die politische Reaktion geschrieben in der die regierende SPD auf das entschärfen der Serie bestand und deshalb die Sendung schon nach 16 Folgen erstmals eingestellt wurde bevor sie wieder anlief – in umgestalteter Form, aber nur kurzlebig.

Weiter wird darauf eingegangen warum der Autor die Serie so problematisch fand.
So habe zu dieser Zeit noch 50% der Deutschen gemeint, dass der Nationalsozialismus guten Seiten gehabt hätte wie Ruhe, Ordnung, Disziplin und weniger Verbrechen.
Ob die italienischen Gastarbeiter lieber unter sich bleiben und keine neuen mehr reingelassen werden sollten, stimmten dem 61% der Befragten zu.
Zwar basiere die Sitcom auf der englischen Version „Till Death Us Do Part„, doch im Kontext der zwei Umfragen fügt der Autor hinzu: „Doch was im Mutterland der Demokratie ungefährlich war und selbstverständlich als Ironie verstanden wurde, war hierzulande durchaus ein Wagnis, denn es setzte Vertrauen in die demokratische Widerstandsfähigkeit des neuen Deutschland voraus.“ In Bezug auf heute sei die Sprachsensibilität eine große Errungenschaft und so eine Figur lächerlich, doch ein Grund zur Entwarnung ist es nicht da seine „Enkel“ nun auf sozialen Medien oder in Parliamenten äußern und in den neuen Bundesländern hohe Umfragewerte genießen.

Wie zu erkennen ist, ist die Kritik umfangreicher in der Jüdischen Allgemeinen und deutlich negativ in Bezug auf den Hauptcharakter, hier wird der historische Kontext miteinbezogen mit der persönlichen Meinung und das aktuelle wird ebenfalls miteingebunden.

Anmerkung: Während dem schreiben dieses Artikels und dem nochmaligen durchlesen der Artikel habe ich das starke Gefälle zwischen Kritisch-Positiv und Kritisch-Negativ bemerkt; letzteres war sehr viel ausführlicher und ersteres beschränkte sich auf die Publikumsreaktion und die erhöhte Sensibilität der heutigen Gesellschaft was in Verbindung mit der Aussage über „politische Korrektheit“ wohl als Kritik an jener Sensibilität zu verstehen ist. Anstatt Kritisch-Positiv ist daher eher „Positiv-Kritisch“ anwendbar, da der positive Eindruck der Serie und damit des Charakters dominanter bei den Autoren ist.

Kultcharakter der Vergangenheit

Gesellschaften verändern sich mit der Zeit, und Alfred Tetzlaff fiel in jene Phase des anfangenden Umbruchs in der Vergangenheitspolitik Westdeutschlands. Schon damals löste sein Charakter eine Kontroverse aus und im Kontext der gesellschaftlichen Verhältnisse (68er-Bewegung, Ende Konrad Andenauer Ära, etc.), und wie sein Typus von manchen als bestätigend empfunden wurde, war er eine Bestandsaufnahme des Reaktionären und hatte seinen Platz in dieser Zeit: „Aber Menges „Alfred Tetzlaff“-Charakter fand sofort als Synonym für kleinbürgerlich-reaktionäres Gebaren und Gerede unmittelbar Eingang in die Alltagssprache, wurde also sprichwörtlich. So verglich zum Beispiel der damalige Postminister Horst Ehmke im Februar 1974 in einer Bundestagsdebatte den CDU-Politiker Alfred Dregger mit Alfred Tetzlaff.“1

In Zeiten des ansteigenden Rechtsextremismus, und damit auch dem Antisemitismus, Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit) und Frauenhass (durch Individuen wie Andrew Tate) würde eine Wiederbelebung der Serie sehr wahrscheinlich auf denselben wenn nicht noch größeren Protest stoßen. Das Umfeld müsste dementsprechend auch erneuert* werden, ansonsten gibt es bis auf die Nostalgier und Reaktionäre kaum ein Publikum. Im Endeffekt wäre also eine Wiederbelebung nicht angemessen und selbst wenn, mit den erwähnten drastischen Änderungen würden die Nostalgier wahrscheinlich nicht zufrieden sein.

Die erhöhte Sensibilität wird nicht nur im Zusammenhang mit der Serie von einigen kritisiert, dabei wird übersehen – willentlich oder unwillentlich – das eben jene moderne Sensibilität auch den Minderheiten zugute kommt die dadurch mehr Gehör finden.
In einer demokratischen Gemeinschaft ist dies essentiell, ansonsten kann es als Versuch der Ausgrenzung durch die Bestätigung von Vorurteilen interpretiert werden. Eine andere Herangehensweise ist also vonnöten, um in der heutigen Gesellschaft eine erfolgreiche Sitcom zu produzieren** (tagesaktuelle Themen können so oder so eingebaut werden).

In Kurz: Seit der Entstehung der Serie vor 50 Jahren hat sich einiges in der deutschen Gesellschaft getan. Deutschland wurde wiedervereinigt, mit den Wehrmachtsausstellungen wurde die Rolle der Wehrmacht in den Kriegsverbrechen in der Öffentlichkeit thematisiert (ebenso in Sachbüchern), die Gesellschaft als ganzes wurde sensibler wenn es um Antisemitismus, Rasissmus und Frauenfeindlichkeit geht und das wohnen an sich wurde auch sehr viel moderner (Mobiltelefon, Internet, usw.).

*Unverändert würde es keine Resonanz finden aufgrund der fehlenden Identifikation.
Es reicht nicht, nur das Umfeld (also die Wohnung und die politischen Themen) an das
21. Jahrhundert anzupassen, sondern auch die gesellschaftlichen Werte wie die schon erwähnte Sensibilität die nun deutlich höher ist. Ein Tetzlaff ist da Fehl am Platze.

**Eine Charakterentwicklung in der z. B. eine ältere Person Vorurteile abbaut und anfangs damit hadert. In Deutschland würden sich die 1990er sich dazu eignen, da nicht nur die DDR aufhört zu existieren sondern auch der saubere Wehrmacht Mythos in der Öffentlichkeit wiederlegt wird durch Ausstellungen und Sachbücher zu dem Thema.

Schluss

Hier habe ich jetzt nur die Reaktionen und den Charakter an sich anhanddessen analysiert, doch vielleicht wird sich der ein oder andere mit der Serie insgesamt auseinandersetzen und ein umfassenderes und tiefgreifenders Werk schaffen.

(Dies ist auch meine erste Auseinandersetzung dieser Art, zukünftige werden vermutlich etwas anders aussehen je nachdem ob für sowas überhaupt Interesse gibt)

Quellen

1 Berliner Wolfang Menge schrieb Fernsehgeschichte
https://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article110024038/Berliner-Wolfgang-Menge-schrieb-Fernsehgeschichte.html

„Ein Herz und eine Seele“: Ein Ekel namens Alfred
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/ein-herz-und-eine-seele-ein-ekel-namens-alfred-9105649.html

Jubiläum einer Kultserie: Ein Ekel wie du und ich
https://www.sueddeutsche.de/politik/ekel-alfred-alfred-tetzlaff-wdr-sitcom-fernsehen-siebziger-1.5731634

Jubiläum 50 Jahre Ekel Alfred: Serie „Ein Herz und eine Seele“
https://www.stern.de/kultur/tv/jubilaeum–50-jahre-ekel-alfred–serie–ein-herz-und-eine-seele–33056260.html

>>Ein Herz und eine Seele<< Ekelhafter Charme
https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/ekelhafter-charme/

Veröffentlicht von thomasbaroque

Ich schreibe über politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Themen. Meine eigenen politischen Ziele ebenso. / I write about politics, the economy and science (my English isn't that good, though). My own political goals and ideas as well.

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